High praise for Queen in 3-D in leading German newspaper, Welt am Sonntag – article attached .
WELT AM SONNTAG
DAS GESPRÄCH – [THE CONVERSATION]
07.01.18 January 2018 Page 57
VON MARTIN SCHOLZ
„Es ist gut, dass wir nach dem Krieg offen für Deutschland waren“
[“It’s good that we open after the war were for Germany”]Er ist Fotograf, Doktor der Astrophysik und einer der großen Gitarristen der Rock-Geschichte. Ein Gespräch mit Brian May von Queen über seine vielen Ichs, Panikschübe und einen Wutausbruch
[He is a photographer, doctor of astrophysics and one the great guitarist the rock story. On Conversation with Brian May from Queen over his many ego, panic episodes and a tantrum]Brian May
Gitarren-Virtuose und Fotograf
Brian Harold May wurde am 19. Juli 1947 in Hampton bei London geboren. 1963 half ihm sein Vater, ein Elektroingenieur, aus Motorradteilen und dem Material eines Eichenbetts eine eigene Gitarre zu bauen – die inzwischen legendäre „Red Special“. May machte seinen Studienabschluss in angewandter Physik und Mathematik. Seine bereits begonnene Dissertation brach er 1974 allerdings ab, nachdem seine 1970 gegründete Band Queen weltweiten Erfolg hatte. 1991 starb Sänger Freddie Mercury an den Folgen seiner Aids-Erkrankung. May machte darauf hin erst solo weiter. 2004 reanimierte er Queen mit Schlagzeuger Paul Rogers; seit 2009 ist Sänger Adam Lambert dabei. 2007 schloss May am Imperial College doch noch seine Dissertation in Astrophysik ab. Er ist Co-Autor zahlreicher populärwissenschaftlicher Bücher, darüber hinaus Tierschutz-Aktivist und Experte für 3-D-Fotografie. May hat einen Sohn und zwei Töchter aus seiner ersten Ehe, seit 2000 ist er in zweiter Ehe mit der Schauspielerin Anita Dobson verheiratet. Vor Kurzem sind sein Bildband „Queen in 3-D“ (Edel) sowie eine opulente Box zu dem 40 Jahre alten Queen-Album „News
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Brian May hat seit mehr als 40 Jahren die exakt gleiche Frisur – mit dem einzigen Unterschied, dass seine immer noch schulterlange Lockenmähne inzwischen schlohweiß ist. Der inzwischen 70 Jahre alte Gitarren-Virtuose von Queen hält seine Band auch 26 Jahre nach dem Aids-Tod von Sänger Freddie Mercury am Leben: als Nachlassverwalter und live auf der Bühne mit dem neuen Sänger Adam Lambert. Anlässlich des 40. Geburtstags ihres vielleicht besten Albums „News Of The World“ ist jetzt eine Werkausgabe mit DVD, LP und drei CDs erschienen, auf denen Hymnen wie „We Are The Champions“ und „We will rock you“ in anderen Versionen zu hören sind. Mit Lambert, den die beiden Gründungsmitglieder May und Schlagzeuger Roger Taylor in der US-Casting-Show „American Idol“ entdeckten, ist Queen seit Jahren auf Tournee. Dennoch findet May daneben Zeit für andere Dinge: Vor ein paar Jahren hat er seine Dissertation in Astrophysik abgeschlossen, und seit mehr als 40 Jahren ist er Experte für 3-D-Fotografie. Im unlängst erschienenen Buch „Queen in 3-D“ hat er erstmals zwei seiner Leidenschaften zusammengebracht: Musik und Fotografie. Auf 250 Seiten präsentiert er Hunderte Bilder, die Queen im Alltag jenseits der Posen zeigen.
WELT AM SONNTAG: Mr May, können wir über Ihre Vorliebe für Auftritte an ungewöhnlichen Orten reden?
BRIAN MAY: Klar. An welche Auftritte haben Sie denn gedacht?
Fangen wir mit dem waghalsigsten an: 2002 standen Sie mit Ihrer Gitarre auf dem Dach des Buckingham Palace und eröffneten mit „God Save The Queen“ das Konzert zum goldenen Thronjubiläum von Königin Elizabeth II. Wie kommt man denn auf so eine Idee?
Man hatte mich angerufen und zunächst gefragt, ob ich, auf der Gitarre „God save the Queen“ spielend, durch die Herrschaftsräume des Buckingham Palace gehen wollen würde. Das konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen und schlug spontan vor: „Warum kann ich nicht auf dem Dach spielen?“ Doch kaum hatte ich den Hörer aufgelegt, durchzuckte es mich: „Oh Gott, was ist da nur in mich gefahren?! Sie werden es mir nie erlauben, auf dem Dach des Palastes zu spielen.“ Fünf Minuten später rief mich Michael Kamen, der musikalische Leiter des Konzertes, zurück: „Der Palast findet deine Idee gut. So machen wir es.“ Mir drehte sich der Magen um.
Warum?
Weil mir erst in dem Moment klar wurde, wie bloßgestellt ich da oben und wie schwierig es sein würde, diesen Auftritt gut hinzubekommen – vor etwa einer Milliarde Fernseh-Zuschauer. In den nächsten Wochen der Vorbereitung erlebte ich erstmals richtige Angst, dass ich es vermasseln würde. Es wurde immer komplizierter: Ich wollte unsere Nationalhymne improvisieren. Das war für die Verantwortlichen der absolute Horror. Sie wollten, dass ich alles vorher aufnahm. Das kam für mich nicht infrage. Ich wollte nicht, dass man sich an mich als jenen Typen erinnert, der mit Gitarre auf dem Dach der Königin zu „God save the Queen“ nur gemimt hätte. Wir haben es dann erst mal mit Orchester geprobt und 14 Mal aufgenommen – keine einzige Aufnahme hatte funktioniert. Jetzt wurde ich richtig unruhig: Wenn es schon im Studio nicht klappte, wie sollte es dann auf dem windumtosten Dach funktionieren? Ich wurde panisch, fragte meine Frau: „Was soll ich nur machen?“ „Üben, üben“, sagte sie. Ich habe dann wie verrückt eprobt, bis der Song Teil meines Körpers war. Aber die Angst war immer noch da.
So schlimm? Sie haben doch jahrzehntelang vor Zigtausenden von Zuschauern gespielt.
Ich weiß noch genau, wie ich am Tag des Auftritts am Tower vorbeifuhr – mein Magen rumorte, ich fühlte mich wie gelähmt.
Wie überwanden Sie Ihre Panikschübe?
Ich sah meiner Angst ins Gesicht. Das hatte ich bei meinen früheren Klinik-Aufenthalten gelernt, als ich mich wegen Depressionen behandeln ließ. Zum Beispiel, dass ich mir im Angesicht von scheinbar unüberwindbaren Hürden erst einmal selbst eingestehen muss, dass ich machtlos bin. Danach fühlte ich mich gestärkt, von dem Moment an konnte ich mich auf jene Aufgaben konzentrieren, auf die ich selbst Einfluss hatte. Hat an dem Tag ganz gut geklappt. Als ich den Song beendet hatte, sagte ich nur: „Thank you God, dass ich diesen Auftritt nicht ruiniert habe.“
Ein anderer außergewöhnlicher Auftrittsort war für Sie die Frankfurter Festhalle. In Ihrem Buch loben Sie die außergewöhnliche Architektur der Halle, sind sich aber auch durchaus deren düsterer Geschichte bewusst: Sie erwähnen die Hassreden, die Adolf Hitler dort hielt – und weisen darauf hin, dass Sie einige Ihrer 3-D-Fotos von genau jenem Platz aus gemacht hatten, wo Hitler einst vor die Massen trat.
Ja, als ich eines der Fotos machte, stand ich auf Hitlers Balkon in der Festhalle. Es war jedes Mal auch ein merkwürdiges Gefühl, in dieser Halle zu spielen. Ich habe das in meinem Buch so beschrieben, dass in der Festhalle zweifellos etwas sehr Machtvolles lauert.
Hat Ihnen das Angst gemacht?
Nein, es war nie so, dass wir im Bewusstsein um die Geschichte dieser Halle Angst gehabt hätten. Wir haben uns dort eher als Teil von etwas Neuem gefühlt: Vier Engländer, die gerade dort eine besonders enge Beziehung zu ihren deutschen Fans aufbauten. Wir hatten viele Diskussionen darüber mit unserem damaligen deutschen Veranstalter Fritz Rau. Nicht nur über die Festhalle, auch über die dunklen Kapitel der deutschen Geschichte und seine eigenen Erfahrungen in jenen Jahren – und auch über die Lehren, die er persönlich daraus zog.
Wie fühlten Sie sich in diesen Mauern?
Ich empfand in der Festhalle immer ein grenzenloses Gefühl der Euphorie. Mein Vater hätte dieses Gefühl nur schwer nachvollziehen können. Ähnlich erging es ihm, als wir in Japan nicht nur Erfolg hatten, sondern von dem Land regelrecht begeistert waren. Er konnte nur schwer nachvollziehen, dass unsere Band eine Liebesbeziehung mit jenem Land hatte, das Großbritanniens Kriegsgegner gewesen war. Aber: Die Zeiten ändern sich, und es ist gut, dass wir nach dem Krieg offen für Deutschland und viele andere Länder waren.
Inzwischen erleben wir eine andere Zeitenwende: Vor ein paar Wochen haben Sie den Brexit in einem Gastkommentar für den „Daily Mirror“ ungewöhnlich scharf kritisiert. Ihre Premierministerin Theresa May bezeichneten Sie als Witzfigur, warfen ihr unersättlichen Machthunger und Skrupellosigkeit vor. Verzweifeln Sie gerade an Ihrem Land, dass Sie Ihrer Wut derart freien Lauf lassen?
Ich habe mich in dem Kommentar nicht zurückgehalten, das stimmt. Der Brexit ist das Dümmste, was Großbritannien in meiner Lebenszeit je gemacht hat. Es ist ein Desaster, weil die Verluste, die dadurch entstehen, für uns gewaltig sein werden.
Als Sie im Herbst auf der Frankfurter Buchmesse zu Gast waren, verkündeten Sie trotzig in Anlehnung an Kennedy: „Ich bin ein Frankfurter“. Sehen Sie sich als Botschafter für ein anderes Großbritannien?
(lacht) Das zu sagen, war mir genauso wichtig, wie herauszustellen, dass Brian May nicht mit Theresa May verwandt ist. Es war von Anfang an falsch, die Briten aufzufordern, über den Brexit abzustimmen – von dessen Tragweite die meisten keine Ahnung hatten. Das geht alles auf David Camerons verrückte Eitelkeit zurück und seine aberwitzige Annahme, das Referendum würde ihn stärken. Genau das Gegenteil war der Fall – er wurde vom Hof gejagt. Und Theresa May hatte es zuletzt genauso gemacht, als sie Neuwahlen ausrief in der Hoffnung, dadurch ihre Position stärken zu können. Dass sie ursprünglich für den Verbleib in der EU gestimmt hatte und jetzt genau das Gegenteil davon umsetzt, ist eine weitere absurde Fußnote. Sie ist, wie Cameron vor ihr, getrieben von Eitelkeit und Machthunger.
Das regt Sie ganz schön auf.
Mich regt auf, dass es ein paar wenige Politiker geschafft haben, uns in diesen Graben zu stoßen. Ich hoffe sehnlichst, dass wir es schaffen, uns da wieder rauszuarbeiten. Für mich und viele andere Briten ist das eine absolute Tragödie, weil die Geschichte in die falsche Richtung geht. Ich habe be mich immer als Europäer gesehen, mir war es wichtig, Gemeinsamkeiten herauszudeuten und zusammenzuarbeiten. Der Brexit zerstört die Arbeit einer ganzen Generation, die Europa zusammengebracht hat. Und Musik hatte für Queen – nicht nur in diesem Kontext – immer eine erstaunliche, heilsame Kraft. Weil wir mit Songs wie „We will rock you“ oder „We are the champions“ die Menschen zusammengebracht haben. Überall auf der Welt. Das sind für mich wertvolle Momente, Erlebnisse, von denen ich glauben möchte, dass sie es unwahrscheinlicher machen, dass es zu Kriegen kommt.
In Ihrem Bildband sind Sie mit Ihrer Mutter vor Ihrem Jaguar zu sehen – vor dem Rosenbeet Ihrer Mutter. In den Credits weisen Sie darauf hin, dass es Ihr Vater war, der das Bild mit der 3-D-Kamera aufgenommen hat.
Ja, der Rockstar kommt nach Hause zu Mammi, der stolze Dad fotografiert. (lacht)
Ihr Vater war Elektroingenieur. Er hat Sie zwar musikalisch gefördert, Ihnen beim Bau Ihrer Gitarre geholfen, war aber strikt dagegen, dass Sie Musiker werden. Er wünschte sich, dass Sie eine akademische Laufbahn einschlagen. Zeigt dieses Bild auch, dass er seine Meinung später geändert hat?
Das Bild bedeutet mir sehr viel, weil mein Vater wirklich sehr, sehr dagegen war, dass ich Musiker wurde. Ich hatte ja bereits ein abgeschlossenes Physik-Studium; mein Dad war fest überzeugt, dass ich einen anständigen Akademiker-Job bekommen würde. Und er war absolut beschämt, als ich ihm sagte, ich wolle Rockstar werden. Erst später, nachdem ich meine Mutter und ihn zu einem unserer ausverkauften Konzerte in den New Yorker Madison Square Garden eingeladen hatte, wurde ihm klar, was wir erreicht hatten. Er nickt nur anerkennend: „Okay, Brian.“
Dabei hatten Sie Ihre Doktorarbeit über die „Radialgeschwindigkeit von interplanetarem Staub“ ja zunächst angefangen – 1974 dann aber abgebrochen, als Sie mit Queen ein Welt-Star wurden. 23 Jahre später haben Sie sie dann doch noch abgeschlossen, sind jetzt Dr. May der Astrophysik. Fragen Sie sich manchmal, wer Sie sind und wie viele?
(lacht) Das Leben steckt voller Anforderungen. Ich bereue nichts. Ich hatte unglaubliches Glück: Ich konnte den Weg eines Rockstars einschlagen und viel später noch einmal zu meiner anderen Leidenschaft, der Astronomie, zurückkehren, sogar meinen Doktor machen. Dieser Titel hat mir noch einmal viele Türen geöffnet. Ich schreibe populärwissenschaftliche Bücher, treffe mich mit Nasa-Experten, die Missionen zum Pluto und zu Asteroiden ausbaldowern. Ich liebe es, die Träume dieser Menschen teilen zu können.
Gibt es eine Aufnahme aus Ihrem Fundus, auf die Sie besonders stolz sind?
Ja, ich habe ein Foto von Freddie gemacht, wie er gerade sein Make-up auflegt. Er war sich in dem Moment nicht bewusst, dass ich ihn fotografierte. Dieses Foto drückt für mich aus, wie Freddie wirklich war.
Wie denn?
Es gab diesen einen Teil von ihm, der überlebensgroß und explosiv war, ein Showman. Backstage und im Privatleben war er dagegen sehr ruhig und scheu. Freddie war für mich wie ein Bruder. Deshalb trifft mich sein Verlust immer noch so schwer. Freddie können wir nicht mehr erleben, und auch unseren Bassisten John Deacon sehe ich nicht mehr, seit er sich vor Jahren ganz aus der Musik zurückgezogen hat und nicht mehr mit uns auftritt. Das erfüllt mich mit großer Traurigkeit, denn inzwischen sind von der Originalbesetzung nur noch Roger und ich übrig, die weitermachen.
Dank Ihrer diversen Interessen haben Sie ja eigentlich immer genug zu tun – was treibt Sie an, dennoch mit Queen weiter um die Welt zu reisen?
Es ist nach wie vor ein erfüllendes Gefühl, auf der Bühne zu stehen, etwas Spektakuläres zu bieten und eine Menge Lärm zu machen. Adam Lambert ist für mich wie ein Geschenk Gottes. Es war nicht so, dass wir nach einem neuen Sänger gesucht hätten, wir wurden einfach durch die Castingshow auf ihn aufmerksam. Mit ihm konnten wir wieder auf Tournee gehen – Gott sei Dank. Wir haben viel Spaß zusammen. Adam ist nicht Freddie, und er versucht auch gar nicht, so wie Freddie zu sein. Adam ist einfach er selbst. Aber Freddie ist immer noch bei uns auf den Tourneen. Wenn ich „Love Of My Life“ sing und dazu nur die Akustik-Gitarre spiele, wird ein Live-Mitschnitt von Freddie auf der Leinwand gezeigt, am Ende ist er es, der die letzte Strophe singt. Für mich ist das immer ein kostbarer Moment, denn Freddie gehört in unsere Show. Er war immer ein Teil von uns, wird es immer sein.